Faschismus basiert auf einem sozialdarwinistischen, patriarchalen und rassistischen sowie antisemitischen Menschenbild. Faschistische Kräfte haben ein konterrevolutionäres, antidemokratisches, antiliberales und autoritäres Politikverständnis. Oft ist dieses verbunden mit völkisch-nationalistischen Untergangsprophezeiungen und einem daraus abgeleiteten Versprechen nationaler Erneuerung. Der politische Stil von Faschist:innen ist von einer autoritären, charismatischen Führerschaft geprägt. Zudem inszenieren sich faschistische Bewegungen oftmals als patriarchal-soldatischer Männerbund. Dazu gehören nicht selten auch der Aufbau gewalttätiger und mitunter bewaffneter Strukturen.
Gewisse Organisationen treten offen faschistisch auf und zielen unverhohlen auf die Machtübernahme zur Errichtung einer Diktatur ab. Im Schweizer Kontext sind Blood and Honor und seine bewaffnete Struktur Combat 18 Beispiele für solche machthungrige Gruppen. Relativ neu in Erscheinung getreten sind die Junge Tat oder die Résistance Hélvétique. Letztere passen nicht mehr ins «klassische» Bild der Glatzen-Faschos, sondern bedienen sich an Erscheinungsformen der französischen Identitären oder der Casa Pound Italia. Zu erwähnen ist natürlich auch der National-Sozialistische Untergrund, der in Deutschland über Jahrzehnte hinweg migrantische Personen ermordet hat. Zudem bleiben unzählige Anschläge auf Geschäfte, Imbisse, Shisha-Bars und Unterkünfte unaufgeklärt. Es gibt auch offen faschistisch auftretende Parteien, die parlamentarisch aktiv sind. Dazu gehören die mittlerweile aufgelöste Partei National Orientierter Schweizer genauso wie die Goldene Morgenröte in Griechenland oder die Nationaldemokratische Partei Deutschlands.
Die beschriebenen machthungrigen Gruppen vermögen aktuell keine Massen zu organisieren, haben aber durchaus mächtige Freund:innen. Einen grossen Beitrag zur allgemeinen Normalisierung faschistischer und faschistoider Ideologie leisten Parteien wie das Rassemblement National (ehemals Front National) in Frankreich, die Lega Nord in Italien oder die Alternative für Deutschland. In der Schweiz erfüllt die Schweizerische Volkspartei (SVP) diese Funktion. Die SVP ist aufgrund ihrer wirtschaftsliberalen Haltung und breiter Unterstützung verschiedener Schweizer Kapitalfraktionen zur wählerstärksten Partei geworden. Ihre fremdenfeindlichen, nationalistischen, rassistischen und patriarchalen Positionen sind derart deutlich, dass sich auch eine relativ grosse faschistoid denkende Masse in ihr repräsentiert sieht.
Faschistische Gruppen und Organisationen können bisweilen auch auf die Hilfe des Staates zählen. Weil Faschist:innnen entgegen ihren Behauptungen keine Revolutionär:innen sind, ist der bürgerliche Staat ihnen nicht grundsätzlich abgeneigt. Das beste Beispiel für faschistische Strukturen innerhalb eines Staates ist das Netzwerk Nordkreuz, in welchem sich deutsche Soldat:innen, Polizist:innen und Behördenmitarbeiter:innen vernetzten. In der Schweiz ist das Netzwerk Uniter vertreten, das ähnlich einzuordnen ist. Es ist davon auszugehen, dass es sowohl hierzulande als auch anderswo weitere ähnliche Netzwerke gibt. Die Verflechtung von staatlichen und faschistischen Strukturen muss Teil unserer antifaschistischen Analyse sein.
Bisweilen gelingt es faschistoiden Politiker:innen, Regierungen zu übernehmen. Ein Beispiel dafür ist Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei. Seine Herrschaft ist autoritär, religiös-fundamentalistisch, patriarchal, homophob und rassistisch. Die Unterdrückung der Kurd:innen sowie kommunistischer Kräfte inner- und ausserhalb der türkischen Grenzen sind Ausdruck seiner faschistoiden Politik. Teile des Kapitals lieben es, wenn faschistoide Politiker:innen in Regierungen gewählt werden. Als beispielsweise Jair Bolsonaro im Jahr 2019 das Amt des Brasilianischen Präsidenten übernahm, stiegen die Aktienkurse in São Paolo massiv, weil er sowohl gegen Linke als auch gegen Indigene vorgeht und wirtschaftspolitisch die Interessen der Privaten vertritt.
Der Kapitalismus ist ein guter Nährboden für den Faschismus. Viele Aspekte, die wir am Faschismus kritisieren, finden sich auch im kapitalistischen System. Damit sagen wir nicht, dass auf Kapitalismus Faschismus folgen «muss», sondern wir wollen auf den brutalen, menschenverachtenden und teilweise faschistoiden Charakter des Kapitalismus hinweisen, der in bürgerlichen Faschismusdebatten kaum benannt wird. Die individuelle Konkurrenz ist eines der wichtigsten Prinzipien des Kapitalismus. Auf diese Weise wird Reichtum und Armut hergestellt und legitimiert. Der globale Kapitalismus besteht aus Nationalstaaten welche die Menschen mit militärisch geschützten Grenzen und auf viele weitere rassistische Weisen spalten. Unzählige dieser Nationalstaaten betrieben und betreiben Kolonialismus und führen imperialistische Kriege. Der Kapitalismus ist ausserdem von Krisen geprägt. Die Mittelschichten sind in diesen Krisen vom sozialen Abstieg bedroht. Im Versuch ihren Abstieg zu verhindern, neigen sie dazu, faschistische Parteien zu unterstützen.
Faschismus ist eine konterrevolutionäre und antikommunistische Kraft, die während Krisen von Teilen der Bourgeoisie unterstützt wird. Darum bleibt er eine reale Gefahr, solange wir im Kapitalismus leben. Faschistische Bewegungen stehen der Arbeiter:innenbewegung feindlich gegenüber. Für einen Teil der Kapitalist:innen und der traditionellen Eliten stellen sie deshalb während Krisen der bürgerlichen Demokratie eine Option dar, um die Gefahr einer sozialen Revolution zu bannen. Oft sind faschistische Kräfte gerade in Krisenzeiten erfolgreich, weil sie eine Erneuerung (mit reaktionärem Programm) versprechen.
Der Faschismus verspricht eine «Erneuerung», ist aber politisch ausgesprochen rückschrittlich. Viele faschistische Bewegungen geben sich in ihrem Auftreten und in ihrer Propaganda «revolutionär». Wir müssen die angeblich revolutionären Formen der Faschist:innen entlarven, welche teils schicker und weniger rüpelhaft daherkommen als noch vor einigen Jahrzehnten.
Revolutionärer Antifaschismus ist antikapitalistisch und klassenkämpferisch. Wir bekämpfen den Faschismus also einerseits, indem wir als Teil der Klasse gegen die kapitalistische Ausbeutung kämpfen. Andererseits macht der revolutionäre Antifaschismus den faschistischen Gruppen das Leben konkret und auf vielfältige Weise schwer. Es gibt verschiedene Betätigungsfelder innerhalb der antifaschistischen Bewegung: Die Faschos im Auge behalten, ihre Verbindung untereinander und mit dem Staat aufzeigen, ihre Inhalte auseinandernehmen und sie auf der Strasse bekämpfen. Zudem ist es wichtig, auch die faschistoiden Bestrebungen grosser rechter Parteien zu denunzieren. Die antifaschistische Bewegung ist seit jeher internationalistisch und unterstützt den Kampf gegen den Faschismus in anderen Ländern.
Wir wollen antifaschistische und antipatriarchale Politik sowohl inhaltlich als auch praktisch miteinander verbinden. Wir legen ein Augenmerk darauf, das patriarchale Weltbild der Faschist:innen zu erfassen und zu thematisieren. In der Praxis ist Antifa-Arbeit dann erfolgreich, wenn sie den Faschist:innen auch in offensiver Handarbeit Kontra geben kann. Dennoch soll die Antifa einen klaren Gegenentwurf zum reaktionären Mackertum bilden und sowohl strukturell als auch bezüglich ihrer Aussenwirkung keinen Männerbund darstellen. Es gibt in der antifaschistischen Begegnung immer wieder Tendenzen, das Bild von gestählten Strassenkämpfer:innen zu idealisieren und diejenigen Arbeiten im Strassenkampf abzuwerten, welche nicht ganz so sichtbar oder nicht explizit militant sind. In der Organisierten Autonomie Zürich setzen wir uns darum mit verschiedenen Formen der antifaschistischen Gegenwehr auseinander, an denen sich alle mit ihren Fähigkeiten, unabhängig von Geschlechterstereotypen beteiligen können und in denen keine Aufgaben auf- oder abgewertet werden.