Um den revolutionären Kampf voranzutreiben und weiterzuentwickeln, erachten wir es als sinnvoll, politische Räume für proletarische Frauen und weitere unterdrückte Geschlechtsidentitäten zu schaffen. Zudem ist es unser Ziel, männerdominierte Strukturen und Gewohnheiten zu durchbrechen. An Orten und Anlässen an denen Frauen und genderqueere Personen unter sich sind, entsteht eine Dynamik des Ausprobierens, der Selbstermächtigung und der Solidarität. FLINTAQ-Räume dienen der Politisierung und Organisierung: Geteilte Unterdrückungserfahrungen führen zu besonderen Widerstandsmomenten, in denen Verbundenheit und Kraft spürbar werden. Auch innerhalb der Organisierten Autonomie Zürich wollen wir eine feministische Selbstorganisierung aufbauen, um geschlechtsspezifische Auseinandersetzungen zu stärken. Es gibt jedoch auch antipatriarchale Kämpfe, die wir gemeinsam mit unseren cis-männlichen Genossen führen. Die Frage der geschlechtergetrennten Organisierungsform, also wann und warum es Sinn macht, geschlechtergetrennte Kämpfe zu führen, wollen wir immer wieder neu diskutieren.
Die patriarchale Unterdrückung hat verschiedene Facetten und entsprechend sind unsere Kampffelder vielseitig: Wir kämpfen gegen geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und feminisierte Arbeit, gegen die Ausbeutung von Frauen und Queers. Aber auch gegen Alltagssexismus und sexualisierte Gewalt, gegen Geschlechterbinarität und heteronormative Kernfamilie, gegen Transfeindlichkeit, Homofeindlichkeit, für reproduktive Selbstbestimmung. Kurz: Wir kämpfen für eine nicht-patriarchale, befreite Gesellschaft.
Es ist wichtig, gemeinsame Nenner in antipatriarchalen Kämpfen zu finden und die vielfältigen Kämpfe von Frauen und weiteren Geschlechtsidentitäten miteinander zu verbinden. Je nach Kampffeld ist es uns jedoch auch ein Anliegen, mit einem bestimmten Subjekt zu agieren - beispielsweise mit demjenigen der Frau, wenn es um das Recht auf Abtreibung geht. Natürlich sind auch andere Geschlechtsidentitäten von Abtreibungsverboten betroffen, jedoch ist die Politik in dieser Frage in erster Linie - historisch wie aktuell - spezifisch frauenfeindlich aufgeladen. Feminizide sind ein weiteres Beispiel für ein Kampffeld, wo wir explizit Frauen (trans und cis) benennen. Wenn es jedoch um Raumpolitik geht, sei es an einer Demo, an einer Veranstaltung oder an einer Party, adressieren wir FLINTAQ-Personen, da feministische Räume allen Geschlechtsidentitäten offenstehen sollen, die von patriarchalen Strukturen betroffen sind.
Zur kapitalistischen Gesellschaft gehört die geschlechtsspezifische Aufteilung der Arbeit und die Trennung in weibliche und männliche Sphären des Sozialen. Bei der Durchsetzung des Kapitalismus wurden bereits bestehende Herrschaftsideologien genutzt, um die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung zu legitimieren. Gleichzeitig mit der Entstehung der kapitalistischen Organisation der Gesellschaft erfuhren somit auch die Geschlechterverhältnisse eine starke Veränderung. Der gesellschaftlichen Produktion in den Fabriken stand eine in den privaten Haushalt verdrängte Reproduktion gegenüber, welche den Frauen zugewiesen wurde. Damit die Reproduktionskosten der Ware Arbeitskraft – speziell Haus- und Care-Arbeiten – möglichst tief bleiben, widerfährt der Reproduktionsarbeit bis heute eine permanente Abwertung und sie wird unsichtbar gemacht. Das heisst, die Teilung der Arbeit in Reproduktion und Produktion sowie die Aufteilung der übrigen Lebensbereiche in private und öffentliche Sphären trennt Menschen in Männer und Frauen und die daraus abgeleiteten Geschlechterrollen auf. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung ist mit den kapitalistischen Produktionsverhältnissen historisch verwachsen und stellt die materielle Grundlage der Geschlechterverhältnisse dar. Wandeln sich die Produktionsverhältnisse, nimmt auch die Arbeitsteilung neue Formen an. Was jedoch bleibt, ist die damit einhergehende Diskriminierung und Ausbeutung aufgrund des Geschlechts, sprich aufgrund zugeschriebener gesellschaftlicher Rollen.
Um sein gewaltvolles Herrschaftssystem zu stabilisieren und neue Felder der Überausbeutung zu erschliessen, bringt der Kapitalismus immer neue Spaltungsmomente hervor. Eine kapitalistische Ökonomie, in welcher die Spaltungen nicht entlang der Geschlechterlinie verlaufen, ist rein theoretisch vorstellbar, aber nicht sonderlich wahrscheinlich: Das Merkmal der geschlechtsspezifischen Diskriminierung liegt gewissermassen im Wesen des historisch gewachsenen Kapitalismus.
Die materielle Grundlage der Frauenunterdrückung und ebenso der Queerfeindlichkeit ist die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, welche nicht nur die Abwertung der Reproduktionsarbeit, sondern auch die Norm der Kleinfamilie hervorbringt. Im Konzept der bürgerlichen Kleinfamilie mit ihren klaren Geschlechterrollen werden die Zweigeschlechtlichkeit und die Heterosexualität zur Norm hochstilisiert. Sowohl Lesben und Schwule als auch trans und inter Personen sowie nicht-klassische Familienstrukturen stellen die «Natürlichkeit» dieser Herrschaftsideologien in Frage und bedrohen so die Geschlechterverhältnisse. Die ideologische Verteidigung der Kleinfamilie seitens der Herrschenden ist darum bisweilen aggressiv.
Unsere Gesellschaft ist auf allen ökonomischen, kulturellen und psychologischen Ebenen zweigeschlechtlich geprägt. Jedoch erweisen sich «die Geschlechter» - auch das biologische Geschlecht - als viel komplexer. Biologische und anatomische Aspekte sind in Bezug auf das Geschlecht durchaus zentral. Besonders die Gebärfähigkeit spielt bezüglich der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und damit verbundener patriarchaler Dominanzverhältnisse eine entscheidende Rolle. Wir gehen jedoch davon aus, dass es «ausserhalb» von gesellschaftlichen und historischen Verhältnissen keine «natürliche» Geschlechtlichkeit gibt und dass somit auch keine «ursprüngliche Form» von Sexualität oder Geschlecht existiert. Aus diesem Grund wenden wir uns dagegen, das biologische Geschlecht zu naturalisieren. Vielmehr wollen wir den Zusammenhang zwischen biologischer Materialität (Gebärfähigkeit), der damit einhergehenden Naturalisierung der «Mutterrolle» und der patriarchalen staatlichen Verfügungsgewalt über den Frauenkörper aufschlüsseln. Geschlecht als Kategorie ist weder rein gesellschaftlich konstruiert, noch in seiner Gesamtheit biologisch vorgegeben. Wir gehen davon aus, dass sich die eigene Geschlechtsidentität aus einer Wechselwirkung von gesellschaftlich zugeschriebenen Merkmalen, kulturellen Normen und dem Subjekt selbst ergibt. Folglich ist sie im Kontext der konkreten Realität veränderbar und formbar.
Der sozialen Realität von Geschlecht, welche uns durch die ökonomischen und materiellen Verhältnisse aufgedrängt wird, können wir uns nicht auf individueller Ebene entziehen. Deshalb wollen wir jene gesellschaftlichen Verhältnisse verändern, die den Menschen die Zweigeschlechtlichkeit aufdrängen. Kämpfe um die Anerkennung von marginalisierten Geschlechtsidentitäten sowie das Aufbrechen von Normen auf individueller Ebene sind wichtige politisierende Erfahrungen. Die Strategie zur Befreiung von Frauen und genderqueeren Personen kann aber nur eine gesamtgesellschaftliche sein, die mit der Überwindung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse einhergeht.
Wir Frauen und genderqueeren Personen der Organisierten Autonomie Zürich verstehen uns als materialistische Feminist:innen und als revolutionäre Linke. Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der eine vielfältige und selbstbestimmte Gestaltung von Geschlecht möglich ist. Darum wehren wir uns gegen die patriarchale Herrschaft und bekämpfen die damit verbundenen kapitalistischen Verhältnisse in all ihren Erscheinungsformen. Unsere Praxis reicht von Veranstaltungen über Bündnisarbeit und Demonstrationen bis hin zu direkten Aktionen. Wir wollen dabei die Vielfalt und die Verschränkungen von verschiedenen Unterdrückungsmechanismen im Blick behalten. Auch unsere eigenen Realitäten sind nicht eindimensional und lassen sich nicht auf eine einzige Unterdrückungserfahrung (Geschlecht) beschränken oder homogenisieren. Sie bleiben stets mit der Klassenzugehörigkeit verwoben sowie mit weiteren Aspekten wie Hautfarbe, Herkunft, Mutterschaft, Sexualität, physische und psychische Gesundheit. Insofern müssen Ausbeutung und Unterdrückung auch in diesen Verschränkungen analysiert und verstanden werden. Wir halten auch sprachpolitische Sensibilisierung für eine wichtige feministische Errungenschaft, da Begriffe und Kategorien Ausdruck des kollektiven Bewusstseins einer Bewegung sind, welches wir aktiv mitgestalten wollen. Wir sind in verschiedenen feministischen Zusammenhängen und Bündnissen aktiv und richten unseren Fokus darauf, in diesen eine antikapitalistische und klassenkämpferische Ausrichtung zu pflegen sowie die Zusammenarbeit verschiedener Strömungen zu intensivieren.