Während der rund zweihundert Jahre seiner Existenz waren für den Kapitalismus die Nation und der Nationalstaat stets wichtige Herrschaftsinstrumente. Die Herrschenden ziehen territoriale Grenzen und vertiefen durch die Ideologie des Nationalismus die Spaltungen innerhalb der globalen Weltarbeiter:innenklasse. Nicht nur die Ausprägung von Ausbeutung und Unterdrückung, sondern auch die Intensität proletarischer und emanzipatorischer Kämpfe variieren global stark. Für uns ist es daher zentral, den Blick über regionale Grenzen hinaus zu richten, von anderen revolutionären Bewegungen zu lernen und einen proletarischen Internationalismus zu pflegen.
Nationale Befreiungsbewegungen ohne revolutionäre und emanzipatorische Perspektive sind nicht per se progressiv. Unser Internationalismus stellt sich jedem Chauvinismus entgegen, auch wenn er antiimperialistisch daherkommt. Zentral ist für uns also der emanzipatorische Kampf und nicht der territoriale Bezug. Das heisst nicht, dass wir uns nicht für Befreiungsbewegungen mit «bloss» regionaler Strahlkraft interessieren. Die revolutionären Bewegungen in Kurdistan oder in Chiapas kämpfen kurz- und mittelfristig für regionale Autonomie und konkrete Verbesserungen. Sie tun dies mit einer internationalistischen und revolutionären Perspektive, weshalb wir versuchen, von diesen Bewegungen zu lernen und sie solidarisch zu unterstützen. Ein revolutionärer Kampf ist immer auch mit Entwicklungsprozessen verbunden. Daher können wir emanzipatorische Kämpfe nicht abschliessend charakterisieren und einordnen. Vielmehr unterstützen wir internationale revolutionäre, antikapitalistische Kämpfe unter dem Primat der Praxis und der kritischen Solidarität.
Der Kolonialismus und die damit verbundene brutale und tödliche Ausbeutung verhalfen dem Kapitalismus überhaupt erst zum Durchbruch. Die schwache ökonomische und politische Situation, in der sich gewisse Länder befinden, ist aber nicht nur Spätfolge des Kolonialismus. Die Dominanz der kapitalistischen Zentren geht mit der andauernden politischen und ökonomischen Abhängigkeit vieler Länder des globalen Südens einher. Das riesige Ungleichgewicht innerhalb der kapitalistischen Weltwirtschaft wird mit Absicht aufrechterhalten.
Die Geschichte der revolutionären internationalen Solidarität reicht bis in die Anfänge der Arbeiter:innenbewegung zurück. So schrieben Marx und Engels bereits 1848, dass «die Emanzipation der Arbeiterklasse weder eine lokale noch eine nationale, sondern eine soziale Aufgabe ist, welche alle Länder umfasst». Auch die Befreiungskämpfe der 1970er Jahre in Asien, Afrika und Lateinamerika führten zu einer neuen Qualität der internationalen Solidarität. So entfachten diese antiimperialistischen Kämpfe weltweit einen neuen Zyklus revolutionärer Kämpfe. Speziell in Westeuropa wurden linke Forderungen laut, die zuvor lange undenkbar waren. Im deutschsprachigen Raum wurde beispielsweise mit der Parole «Waffen für El Salvador» offen die militärische Unterstützung einer revolutionären Bewegung propagiert. Aktuelle Entwicklungen, beispielsweise jene in Kurdistan, zeigen zudem auf, dass revolutionäre Projekte gegen imperialistische Aggressionen verteidigt werden müssen.
Wir wenden uns gegen den Paternalismus, welcher der Geberhaltung postkolonialer «Entwicklungshilfe» zugrunde liegt. Auch der romantisierenden Verklärung und der Projektion revolutionärer Sehnsucht auf andere Teile der Welt stehen wir kritisch gegenüber. Unser Internationalismus soll sich durch Gegenseitigkeit auszeichnen. Wir unterstützen Initiativen und Bewegungen, die sich dem Ziel verschreiben den Kapitalismus, das Patriarchat, den Rassismus, die Nationalstaaten und andere Herrschaftsformen zu überwinden. Um die Weltarbeiter:innenklasse gegenüber dem Kapital zu stärken, braucht es eine transnationale Vernetzung und ein internationalistisches Klassenbewusstsein. Dass von unserer Seite her die materielle Unterstützung teilweise im Vordergrund steht, ist angesichts der global ungleich verteilten Ressourcen klar. So vollzieht sich die gegenseitige Bezugnahme oft nicht auf gleicher Ebene und trotzdem besteht durch den gemeinsamen Kampf für eine befreite Gesellschaft eine Verbindung der Solidarität.