28. April 2023

Perspektiven entwickeln – Gegenmacht aufbauen
Der 1. Mai ist in Zürich seit Jahrzehnten ein wichtiger Anlass für all jene, die eine revolutionäre Veränderung anstreben. Die Bewegung kommt zusammen, wir tauschen uns aus und finden einen gemeinsamen, kämpferischen Ausdruck auf der Strasse – trotz Staatsanwält:innen und Bullen überall!:,D
Die Kämpfe gegen Ausbeutung und Unterdrückung finden jeden Tag statt, sie richten sich nicht nach dem Kalender. Aber am 1. Mai werden die Kämpfe zusammengeführt und es wird spürbar, dass wir Teil einer weit zurückreichenden und weltweiten Bewegung sind, die der herrschenden Klasse gegenübersteht.
Einer Bewegung, die für ein gutes Leben für alle kämpft, die sich der Ausbeutung, der Herrschaft und der Kontrolle widersetzt. Wir wollen eine Gesellschaft ohne Rassismus und Patriarchat, eine Gesellschaft, die unserem Planeten Sorge trägt und den Bedürfnissen all seiner Bewohner:innen dient. Darum wollen wir den Kapitalismus überwinden!
Sie sagen, sie wollen nur unser Bestes…
Die bürgerliche Ideologie behauptet, dass Konkurrenz und Wettbewerb unbedingt notwendig seien und dass harte Arbeit und etwas Glück ein luxuriöses Leben möglich machen. In der bürgerlichen Erzählung sind wir Menschen zudem unfähig, über die sinnvolle Verwendung von Ressourcen oder die Produktion von Gütern zu bestimmen. Die Besitzenden und der Markt seien die viel geeigneteren Entscheidungsträger, wir sollen uns da doch bitte raushalten. Ausser natürlich eine Bank geht Pleite, dann hätten sie gern ein paar Milliarden aus der Staatskasse, bitte sehr.
Misst man die bürgerliche Version der «Demokratie» und die damit verbundene «Freiheit» an der Realität, zeigt sich, wie wenig der Kapitalismus zu bieten hat. Egal wie sehr wir uns Mühe geben, egal wie viele Überstunden wir leisten – der Mehrwert unserer Arbeit wird stets von den Besitzenden eingestrichen. Vielleicht springt da und dort eine Lohnerhöhung raus, aber an den Besitzverhältnissen ändert sich nichts. Und wenn dann wieder eine Krise kommt – und Krisen sind im Kapitalismus die Regel – wird diese wie jede andere Krise davor auf unserem Rücken ausgetragen.
Die Geschichte lehrt uns, dass es immer die Kämpfe der Ausgebeuteten und Unterdrückten sind, die gesellschaftlichen Fortschritt herbeiführen. Wenn wir ein gutes Leben für alle Menschen erkämpfen wollen, müssen wir uns zusammenschliessen und als Klasse gegen die Macht der Besitzenden kämpfen!
…aber genau das wollen wir ihnen nicht mehr geben!
Die Weltarbeiter:innenklasse ist so gross wie nie zuvor. Noch nie waren auf globaler Ebene so viele Menschen davon abhängig, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Im Zuge der ökonomischen Krisen kommt es in den letzten Jahrzehnten überall auf der Welt zu Arbeitskämpfen, Streiks, Blockaden, Platzbesetzungen und Riots.
Auch in unseren Breitengraden wird wieder mehr gestreikt. Die kollektive Arbeitsniederlegung zeigt auf, dass wir Arbeiter:innen kein beliebiges Rädchen im Getriebe sind. Ganz im Gegenteil, ohne uns gibt es keinen gesellschaftlichen Reichtum – und darin liegt unsere Macht! Die grossen Gewerkschaften sind zwar eingebettet in die Abläufe und Sachzwänge der Herrschenden und darum oftmals sehr zaghaft, doch selbst in Deutschland und Österreich ist es in den letzten Monaten zu grossen Streiks gekommen – von Frankreich und Grossbritannien ganz zu schweigen. Die Gewerkschaften reagieren dabei auf Druck von unten. Unser Ziel ist es, diesen Druck zu erhöhen, die autonome Organisierung zu stärken, kollektiv und selbstorganisiert für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne zu kämpfen.
Die kapitalistische Produktionsweise hat sich auf der ganzen Welt durchgesetzt, darum haben lokale Kämpfe und Aufstände der Proletarisierten und Unterdrückten immer auch überregionale, wenn nicht sogar globale Auswirkungen. Proletarische Kämpfe finden zwar an verschiedenen Orten statt und nehmen unterschiedliche Formen an, aber sie haben eines gemeinsam: Sie wenden sich gegen die Zumutungen des kapitalistischen Normalzustandes und erkämpfen bessere Lebensbedingungen.
Die Weigerung, die kapitalistischen Verhältnisse zu akzeptieren, äussert sich auch darin, dass viele Menschen die ausbeuterischen und gewaltvollen Verhältnisse in ihren Ländern nicht mehr akzeptieren. Unzählige Proletarisierte entscheiden sich darum zur Migration. Die Grenzregimes des globalen Nordens versuchen die Mobilität der Menschen zugunsten des Kapitals zu regulieren. Die Migrationsabwehr verursacht unzählige Tote und grosses Leid. Die kapitalistischen und neokolonialen Akteure versuchen zu verhindern, dass die Arbeiter:innen dieser Erde selbstbestimmt entscheiden, wo sie leben und arbeiten. Trotz der hochgerüsteten Grenzen gelingt es vielen Menschen, in ihre Zielländer zu migrieren und damit ihren Anspruch auf den globalen Wohlstand geltend zu machen.
Auch im Kampf gegen das Patriarchat ist das Streben nach Selbstbestimmung zentral. Die Kämpfe von Frauen und genderqueeren Personen verbinden widerständige Bewegungen rund um den Globus. Vom Iran über Kurdistan bis nach Lateinamerika: Überall stehen Frauen und genderqueere Personen in den ersten Reihen und prägen die Aufstände entscheidend mit. Auch hierzulande ist die feministische Bewegung in den letzten Jahren weiter erstarkt – der feministische Streik am 14. Juni steht vor der Tür!
Die Klimabewegung ist ein weiteres eindrückliches Beispiel für sowohl auf lokaler, wie auch auf globaler Ebene stattfindenden und entschlossenen Widerstand gegen die Herrschenden. Viele Menschen erkennen, dass wir uns über ein Ende des Kapitalismus Gedanken machen müssen, wenn wir nicht das Ende der Welt erleben wollen. Die Unfähigkeit des Kapitals, etwas gegen die Klimaveränderung zu unternehmen, führt zum massenhaften Bewusstsein, dass wir uns mit der Macht der Konzerne und der Repression des Staates anlegen müssen. Auch in Europa wird das spürbar: Statt an den Staat zu appellieren, greift die Klimabewegung beispielsweise in Lüzerath oder Sainte-Soline das zerstörerische Geschäft der Konzerne direkt an.
Kampftag der Weltarbeiter:innenklasse
Durch die Kämpfe der Arbeiter:innen und die Produktivkraftentwicklung liess sich das Kapital gewisse soziale Errungenschaften, demokratische Mitbestimmung und individuelle Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs abringen. Doch gerade die aktuellen Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen zeigen, dass die Errungenschaften der Arbeiter:innenbewegung immer aufs Neue verteidigt werden müssen. Im Zuge der sich verschärfenden Krisen und der sich zuspitzenden Kämpfe greifen die Staaten zudem vermehrt auf Methoden des Autoritarismus zurück: Polizei und Justiz rüsten auf, faschistoide Kräfte gewinnen an Einfluss. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir uns damit befassen, wie wir uns verteidigen können.
Am 1. Mai, dem Kampftag der Arbeiter:innen und Besitzlosen, zeigen wir unsere Wut und verspüren die Stärke der weltweiten revolutionären Bewegung: Angesichts der Absurditäten, die das Kapital produziert, müssen wir wirklich aufhören, uns verarschen zu lassen. Die politische Ordnung des Kapitalismus ist kein Naturgesetz und auch nicht das Ende der Geschichte, sondern lediglich eine Phase, die durch eine sinnvollere Form des Zusammenlebens ersetzt werden muss. Am Tag der Arbeit stehen Genoss:innen rund um den Globus für grundlegende sozialistische Ideale ein: Kooperation statt Konkurrenz, Gleichberechtigung statt Unterdrückung, Freiheit statt freier Handel, Menschen vor Profit. Wir senden unsere Grüsse in alle Welt – in die Berge Kurdistans, in die Selva Lacandona in Chiapas, auf die Strassen Frankreichs, an die Dockers in Genua, an die kämpfende Bevölkerung im Iran, in die befreiten Territorien auf den Philippinen, auf die besetzten Plätze in Peru und an alle Menschen, die sich gegen Ausbeutung wehren, die sich nichts mehr gefallen lassen, die zusammenstehen, sich organisieren und nicht aufgeben.
Bauen wir proletarische Gegenmacht auf, kämpfen wir autonom und selbstorganisiert gegen Chefs, Cops und Immo-Konzerne!
Unterstützen wir uns gegenseitig im Kampf gegen den Rassismus und das Patriarchat!
Verteidigen wir uns gegen Faschist:innen auf der Strasse und in den Institutionen!
Bekämpfen wir das tödliche Grenzregime und das Sterben im Mittelmeer!
Geben wir unseren Kämpfen Struktur und Perspektive, suchen wir nach Wegen, um gemeinsam zu lernen, uns zu entwickeln und zu wachsen – denn im Kleinen kann Grosses entstehen!
Organisierte Autonomie Zürich, 1. Mai 2023