

Rede der OA Zürich
Wir stehen hier vor dem Bahnhof Wiedikon – einem Bahnhof mit Tradition. In der Halle des Bahnhofs befinden sich zwei Wandgemälde – sie stammen aus dem Jahr 1927 und werben für das Warenhaus Jelmoli. Die Wandgemälde zeigen auf der einen Seite drei gutgekleidete weisse Frauen, die in ein Gespräch mit einem weissen Verkäufer verwickelt sind. Man sieht auch zwei weisse Kinder, die ein Buch lesen und mit einer Holzeisenbahn spielen. Sie sollen Bildung und Fortschritt symbolisieren.:,D
Das Wandgemälde auf der gegenüberliegenden Seite zeigt im Zentrum drei Personen of color, welche Kolonialwaren wie Tee, tropische Früchte und einen Teppich feilbieten. Dabei repräsentieren sie verschiedene Regionen, von denen die Schweiz in den 1920er-Jahren koloniale Waren bezogen hat.
Vor dem Hintergrund der gewaltvollen kolonialen und imperialen Weltordnung hat man sich in Europa von den angeblich «Anderen» distanziert und abgegrenzt. Die beiden Wandgemälde illustrieren genau diese koloniale Überheblichkeit. Es wird zwischen einem angeblich fortschrittlichen «Wir» und einem vermeintlich rückständigen, exotisch «Anderen», «Fremden» unterschieden. Dieses rassistische Muster ist bis heute prägend für unsere Gesellschaft. Die Gemälde wurden noch im Jahr 1997 aufwändig restauriert und zusammen mit dem ganzen Bahnhof unter Denkmalschutz gestellt.
Die koloniale Tradition, rassistisches Denken und Handeln, die Abgrenzung «wir» gegen «die anderen» – das ist nicht nur Folklore, das ist auch tödliche Gewalt.
«Geh zurück nach Afrika» sagte ein Polizist zu Wilson während des Gewaltexzess im Jahr 2009. Schwarze Menschen gehören seiner Meinung nach nicht in die Schweiz, sie sind nicht Teil der Gesellschaft, ihr Leben ist weniger wert. Der Täter ist mit dieser Meinung nicht allein, die Gewalt kein Einzelfall. Sie ist nur die Spitze des systematischen Rassismus, auf welchem unsere Gesellschaft aufbaut.
Bis heute dient der Rassismus zur Legitimation der Ausplünderung des globalen Südens oder imperialistischer Kriege. Gleichzeitig spaltet er die Arbeiter:innen-Klasse und ermöglicht eine Überausbeutung bestimmter Gruppen von Arbeiter:innen.
Racial Profiling ist Teil dieses Systems. Wenn man immer wieder von der Polizei kontrolliert wird, kann man sich nie sicher fühlen und sich nie entspannen. Ständig wird man als anders, als nicht zugehörig gebrandmarkt und öffentlich ausgestellt. Vielen unserer Freundinnen und Freunde, die davon betroffen sind, geht es sehr nahe, dass sie immer wieder von den Cops drangsaliert werden. Polizeikontrollen erinnern sie immer wieder daran, dass sie als nicht zugehörig gelten sollen.
Rassistische Polizeikontrollen richten sich nicht nur gegen die betroffenen Personen. Sie haben auch eine Aussenwirkung und tragen zum rassistischen Klima auf den Strassen und in der öffentlichen Diskussion bei.
Wiedikon ist ein proletarisches und migrantisches Quartier. Ab den 1950er-Jahren zogen viele Arbeitsmigrant:innen aus Südeuropa hierher. Eine grosse jüdische Community ist hier zuhause. Das gelebte «wir» in unserem Quartier passt nicht zum kolonialen und rassistischen «wir» der Schweiz. Entsprechend ist Wiedikon oft Tatort von Racial Profiling, Polizeiwillkür und rassistischer Gewalt.
Doch gegen rassistische Polizeigewalt gibt es überall Widerstand. Wilson ist ein Beispiel dafür. Seit 14 Jahren kämpft er unermüdlich dafür, dass die rassistischen Schläger-Cops zur Rechenschaft gezogen werden. Wilson’s Kampf ist ein Kampf für viele. Rassistische Gewalttäter sollen nicht so einfach davonkommen. Genauso wie die Mörder von Nzoy und Mike Ben Peter nicht so leicht davonkommen sollen.
Wir rufen alle dazu auf, sich mit Wilson und allen Betroffenen von rassistischer Polizeigewalt zu solidarisieren! Lasst uns Wiedikon also zu einem Ort des Widerstands und der Solidarität machen. Wir organisieren uns in unseren Quartieren. Wir greifen ein, wenn unsere Nachbar:innen, unsere Freunde:innen, unsere Arbeitskolleg:innen von der Polizei belästigt werden. Wir unterstützen Betroffene von Racial Profiling, Polizeischikanen und Rassismus. Lassen wir gewalttätige, rassistische Cops nicht davonkommen!
Solidarität mit Wilson!
Justice for Nzoy!Gemeinsam gegen Rassismus und Polizei!